Sagen

0021Sage heißt Aussage
Darin wird von Ereignissen berichtet, die oft weit in die Vergangenheit zurückreichen. Die Geschehnisse aus der realen Welt wurden stets mündlich überliefert. Die Mutter erzählte sie den Kindern, die Großmutter den Enkeln. Man weiß nicht genau, wer sie zuerst erzählt hat. Manche wurden später aufgeschrieben, manche sind beinahe schon vergessen und manche nur noch in der Erinnerung älterer Menschen vorhanden. Wir finden in der Sage eine Fülle von Nachrichten über historische Ereignisse, aber auch über Flurnamen, Besonderheiten und besondere Menschen.
Da begegnet uns die historische Welt, wobei Ort und Zeit genau angegeben sind. Das geschichtliche Ereignis bildet nur den Hintergrund und wurde von der schöpferischen Phantasie des Volkes gedeutet. Nachforschungen und Wissenschaft konnten aufzeigen, dass in jeder Sage immer ein wahrer Kern dahintersteckt.
Besonders der Mensch in den Bergen war manchmal von sehr bedrohlichen Naturerscheinungen umgeben, für die er eine Erklärung suchte. Diese fand der einfache Mensch nicht in Naturgesetzen, sondern deutete sie aus seiner Erfahrung und der Glaubenswelt. Naturkatastrophen wurden als Strafe für sündiges Verhalten angenommen. Die Sagen über Versteinerungen und Vermurungen berichten davon.
Den Herrgott als falschen Zeugen anzurufen, Gotteslästerung und frevelhaftes Tun erschienen dem gläubigen Menschen als derart schwere Verbrechen, dass fast immer der Teufel im Spiele war.
Öfters ist die Entstehung einer Sage auch an einen besonderen Menschen gebunden.
Viele Sagen sind an Plätze gebunden, die man als unheimlich empfand und die man lieber gemieden hätte. Solche sind schon teilweise aus dem Bewusstsein der Bevölkerung verschwunden und beinahe vergessen. Mancher Flurname erinnert noch daran. Geisterhafte Umtriebe von unheimlichen Tieren oder gespenstisches Lichterflackern verraten eine Untat und zeigen, dass der umgehende Geist keine Ruhe finden kann. Nur durch Segen oder Gutmachung konnte Erlösung gefunden werden.
Sagen sind also wertvolles Kulturgut. Sie sind der Spiegel der Phantasie einfacher Leute, wohl auch der Spiegel der Volksseele. Als solche geben sie Einblick in das Leben und Denken unserer Vorfahren, über die Anschauung von Gut und Böse, Recht und Sittlichkeit.
Der Schriftsteller Thomas Mann sagte: „Ein Volk lebt auch in seinen Sagen fort. In den Sagen steht das allgemein Menschliche im Vordergrund. Sie sprechen daher nicht nur Spezialisten, die sich mit Volkskunde beschäftigen, oder Kinder, für deren Erziehung sie ausgewählt werden, sondern jeden Erwachsenen mit jedwelchem Interesse an.“
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