Tujetsch tenor Sererhard 1742
Einfalte Delineation aller Gemeinde gemeiner dreyen Bünden
nach der Ordnung der Hochgerichten eines jeden Bunds, ihren Nammen, Nachbarschafften, Höfen, Situationen, Landsart, Religion und Landsprach nach kurz entworfen,
Samt beygefügten etwelchen merkwürdigen Begebenheiten auch Seltsamkeiten der Natur
verfast durch einen Liebhaber guter Freunden
Nicolin Sererhard
einem Bundsmann,
beschrieben
im Prettigeu auf Seevis des Loblichen X Gerichten Bunds
im Jahr unsers Heils 1742
Der andere Hof ist das Tawetscher Thal, eine Wildnus. Die ältesten Einwohner allhier hießen Aetuatii. Hier findet man die rudera des Schlosses Pultmenga, item die Nachbarschaften
1. St. Jakob,
2. Selva,
3. St. Vigili,
4. Cumanils,
5. Cimunt,
quasi cima del munt in Rhaetischer Sprach. Das ist der höchste Gipfel des Bergs, trifft auch schier ein, dann hier besteigt man den allerhöchsten Berg, der so zu sagen in der Welt zu finden, und komt man zum Ursprung des vordern Rheins aus dem Berg Crispalta, an welchem auf der einten Seiten Ursulen und der Gotthard, auf der andern Seiten der Berg Bicornus oder die Furken anstosen. Dieser überaus hoche Berg, aus deme der Rhein entspringet, wird sonsten auch genennet Badus. Auf dem Gipfel dieses Bergs ist ein See. Einige beschreiben diesen See groß, so gar dz etwelche in die Welt schreiben dörfen, er sey zwei Meilen lang und eine breit, — als wie Castelberg, Pfarrer in Tavetsch, deme es Escharbotj, französischer Dollmetsch, nachgeschrieben. Andere aber, denen mehr zu glauben und mit dergleichen einem ich auch selbst geredt, beschreiben diesen See klein, allso daß er kaum ¼ Stund lang und breit in der Circumferenz.
Under diesem See entspringt der Rhein aus einem harten Felsen, formiert sogleich einen schönen Wasserfall und senkt sich mit praßeln und Geräusch eine gewaltige Tiefe hinunder, von welchem Fall in dieser Gegne auch im warmen Sommer ein so kalter rauchender Dampf erreget wird, dz die sich herzunachende selbigen keineswegs vertragen können. Bey bemeltem Berg Crispalta passirt man Sommerszeit über hoche Alpen auf Ursulen.
Auf der andern Seiten dieses Bergs, aus der Furka entspringt der Rhodanus, so Wallis durchströhmet, aus dem Grimsel, so ein Ast der Furka ist, entspringt die Aar, welche durch die Schweiz hinfließt. Allso, daß die Distanz der Quellen dieser drei Hauptflüssen nach geometrischer Ausrechnung nicht über 20000 Schritt austragt.
Zwischen der Aar und dem Rhein entspringet aus dem Gotthard auch die Reuß, und gegenüber auf der italiänischen Seiten entspringt der Thesin, item der Aracer, die Madian etc. und nicht weit darvon die Muesa. Ist allso dieses fünfspizige Kreuzwerk in der Höche dieses Gebirgs gleichsam ein hydrophilacium, oder Wasserkammer, aus welcher sich viel Haubtflüsse in ganz weit von einander zertheilte Ende der Welt ergießen.
Im Dawetscher Thal findet man Cristallen in der Erden, item auch in Seiser Wald auf den Steinen ein gewisses Salz, so sich leicht auffinden lasset. Aus Dawetsch komt man auch über einen Berg, das Kreuzlein genant, gen Uri und in das Linthal des Glarner Lands.